Nur wegen eines Zettels oder wegen eines großen Plans?
Tilo Gräser und Michael Wolski
Zum 35. Jahrestages des Mauerfalls konfrontierten wir unser Publikum in dem zahlreich besetzten Sprechsaal mit einer Podiumsdiskussion zu zwei verschiedenen Erzählungen über die Ereignisse des 9.11.1989. Der Journalist Tilo Gräser lud den Autor Michael Wolski ein, im Rahmen dieser Veranstaltung, über ihre unterschiedlichen Erkenntnisse zu diskutieren.
Michael Wolski, ein Autor, in der DDR aufgewachsen, studierte an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst, war beim Außenhandel der DDR tätig und arbeitete von 1986 -90 im internationalen Handelszentrum Berlin-Friedrichstraße, als Mitarbeiter der von Alexander Schalck-Golodkowski geleiteten Bereich der Kommerzielle Koordinierung(KoKo), dem Sonderwirtschaftsbereich der DDR mit bis zu 150 in- und ausländischen Konzernen. Zwischen 1991 und 97 richtete M.Wolski in Moskau die Repräsentanz des US-Konzerns ein, für den er auch schon in Berlin gearbeitet hatte.
Über die Ursache des Mauerfalls am 9. November 1989 hatten beide unterschiedliche Positionen. Dass die Maueröffnung zufällig, aus Versehen geschah bzw., dass sie aufgrund politischer uns wirtschaftlicher Schwäche, der stärker werdenden Proteste der DDR-Bürger, also Folge der friedlichen Revolution war, ist die am stärksten von den Medien verbreitete und von der Mehrzahl der Bevölkerung auch angenommene Erzählung.
Michael Wolski legt mit Vermutungen, einigen Indizien und Zitaten in seinen Büchern und auch an diesem Abend dar, die Grenze in Berlin sei nicht nach einem Missverständnis geöffnet worden, sondern erfolgte mit einem von der sowjetischen Führung lang gehegten, verdeckten Plan, die Teilung Deutschlands in der Mitte Europas zu beenden. Er zitiert Gorbatschow und Schewardnadse, die gesagt haben sollen, dass in ein europäischen Haus die Mauer nicht mehr passt. Bereits 1982, mit der Gründung des Instituts für Systemanalyse von der UdSSR, den USA und weiteren Ländern, sei die Basis für eine Zusammenarbeit von Ländern beider Systeme im Kalten Krieg gelegt worden.
Entsprechend der Konvergenztheorie, nach der sich die Wirtschaftsordnungen in Industriestaaten, die sich anfangs antagonistisch gegenüber stehen, jedoch allmählich annäherten, weil sie sich ähnlichen Problemen gegenüber sahen, so dass die sowjetische Führung schließlich sogar über die Abschaffung des Staatssozialismus nachdachte.
M.Wolski ging in seinen Überlegungen weit zurück: Er sah einerseits in den Logen der Freimaurer die Geburtshelfer der Sowjetunion und später dann auch deren Totengräber. Im Versailler Vertrag, in seiner Härte, bezeichnete er als Bollwerk gegen die Sowjetunion. Die Weltrevolution sollte nach ihm mit der Klimapolitik über den Club of Rome ausgelöst werden, und der Westen gleichsam in den Sozialismus wachsen.
In dem Druck des Hochrüstens sah Tilo Gräser schon eher die Gefahr der Schwächung für die Sowjetunion und des damit verbundenen Kontrollverlustes gegenüber den anderen sozialistischen Staaten, der die sowjetische Elite schließlich dazu bewegte, an einen Rückzug zu denken sowie an eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.
Einig waren sich beide, dass erst mit dem Niedergang der sozialistischen, auf Gemeinwohl orientierten sozialistischen Staaten, die Globalisierung starten konnte und damit die unipolare Weltmachtstellung der USA.
Es ergab sich eine lebhafte Diskussion mit interessanten Ergänzungen, Fragen und auch kontoversen Reaktionen.