Hauke Ritz

Vom Niedergang des Westens zur Neufindung Europas

Hauke Ritz ist Dr. der Philosophie und Publizist. Er beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Außenpolitik und Friedensforschung und erforscht vor allem die Wechselwirkung zwischen Kultur- und Geopolitik im derzeitigen Ost-West-Konflikt. In den zurückliegenden Jahren hat er viele Male Russland bereist und bezieht dieses Erfahrungswissen mit ein. 
Seine Buchvorstellung beginnt er mit der Grundsatzfrage: ‚Warum hasst der Westen Russland so sehr?‘ Dies mit dem Hintergedanken: ‚Verhilft uns diese Frage zu einem Verständnis der heutigen Welt?‘
Nach seinen Ausführungen kann ich sagen: Ja, das Buch beantwortet beide Fragen. Die Zuhörer  konnten dies anhand nachvollziehbarer Zusammenhänge rund um die Welt erkennen. Diese reichen von der Entwicklung vom 1. Weltkrieg an, der Gründung der Sowjetunion und ihren Einfluss auf westliche Politik, des kalten Krieges, die Einflussnahme der USA auf Europa bis zum heutigen Tag, die verpasste Chance auf friedvolles Miteinander durch die Maueröffnung 1989 bis zum heutigen Tag. Er spricht auch über Geopolitik, den Einfluss des Christentums, den Grund der Kriegsbereitschaft der USA und vieles mehr

An dieser Stelle wird auf 3 Themen eingegangen, die mich (JG) besonders betroffen machten. Am Ende gibt es Überlegungen, die Hoffnung geben:

1. Hauke Ritz sprach über die Sichtweise der Amerikaner über Europa. Die USA sei es nicht gewohnt, mit anderen auf Augenhöhe zu sprechen. Sie glaubt, ein Grundrecht zu ewiger Expansion zu haben, die mit der Vertreibung der amerikanischen Urbevölkerung begann und sich nach den beiden Weltkriegen auf alle Kontinente ausbreitete. Das Grundmotiv ist die Konkurrenz. Verhandlungen sind nicht das Mittel der Wahl, was sich in der Geschichte durch das nicht Einhalten von Verträgen immer wieder bewies.

2. Ritz beschreibt einen kulturellen kalten Krieg mittels Propaganda, den die USA verdeckt gegen Europa und die Sowjetunion geführt hat. Dies führte dazu, dass Europa die eigenen kulturellen Wurzeln während den letzten Jahrzehnte verloren hat.
Hierzu nutzte sie das Gedankengut von Nietzsche, weg von der linken Hegemonie in den Geisteswissenschaften Hegels und Marxs , hin zu einer neuen linken Hegemonie, die sich z. B. mit der Befreiung der Frau oder dem Schutz von Minderheiten beschäftigen, aber sich nicht mehr mit dem Kapitalismus und dessen Folgen auseinandersetzen. Damit sind sie keine Gefahr mehr für die Marktwirtschaft und die USA. Es gelang über die Jahrzehnte, das humane Menschenbild in ein negatives Menschenbild zu verändern, die Gedankenmuster europäischer Menschen so zu beeinflussen, dass sie sich als Verursacher, Schuldiger fühlen. Der Mensch ist fehlerhaft. Er ist jemand, der die Umwelt verschmutzt, Träger von Viren und Bakterien, schuld am Waldsterben etc. Damit hat die USA einen enormen Einfluss auf Europa gewonnen.

3. Hauke Ritz erklärt, dass es Möglichkeiten für die Sowjetunion gegeben hat, die fehlerhafte Planwirtschaft zu korrigieren. Man bedenke, sie waren die Ersten im Weltraum, also ein technisch fortgeschrittenes Land. Aber das Selbstbewusstsein war über die Jahrzehnte durch ein falsches Selbstbild, gefüttert mit westlicher Propaganda, geschwächt. Die Sowjetunion war, mit ihrer Vorbildwirkung der für die um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Völker, dem Westen ein Dorn im Auge.

Ritz gab uns auch Zuversicht:
Europa war schon immer eine Region mit einer tiefen kulturellen Verankerung. Diese ist in den letzten Jahrzehnten unter der amerikanischen Beeinflussung zwar verloren gegangen, steckt aber in unseren Wurzeln. (Anm. der Verfasserin: Man denke an die großen Dichter, Musiker und Denker z.B. Goethe, Satre, Beethoven. Shakespeare, Tschaikowski, Chopin.) In der Historie hat sich immer wieder gezeigt, dass sich tief verankerte Kulturen, die sich verloren hatten, durch einen Katharsis-Prozess wiedergefunden haben. Ein Beispiel sind die russischen orthodoxen Kirchen, die im Sozialismus einen Niedergang erfuhren und jetzt wieder viele Anhänger haben
Ein autarkes Europa braucht, nach Ansicht von Hauke Ritz, eine veränderte Politik und den staatlichen Willen der Veränderung eines jeden europäischen Staates zu einem Staat, der wieder vollständig unabhängig von Amerika ist und sich seiner eigentlichen Werte wieder bewusst wird. Dann kann ein kulturelles Band der Einheit in der Vielfalt auf Augenhöhe geknüpft werden.

Kulturbewusstsein verbindet, jenseits von Beamtentum.

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