Daniela Dahn

Der Schlaf der Vernunft

An diesem Abend las Daniela Dahn kurze Ausschnitte aus den Kapiteln ihres neuen Buches „Der Schlaf der Vernunft“. Den Titel wählte sie nach der Radierung  „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ von Fracisco de Goya und fragt, ob sich auch unsere heutigen Entscheidungsträger im Vernunftsschlaf befinden, weil sie nicht den Schaden vom Volk abhalten und keine Friedensordnung gewährleisten.
„Wann beginnt eine Geschichte?“, ist ihre Frage und antwortet mit Kant, „So ist alles, was geschieht, nur eine Fortsetzung der Reihe und kein Anfang, der sich von selbst zutrüge.“ Deshalb sei es von größter Bedeutung, wo bei einer Erzählung der Anfang gesetzt wird. In diesem Zusammenhang beklagt sie die andauernde Dämonisierung Putins, am Beispiel von Verteidigungsminister Pistorius, mit seiner unbewiesenen Behauptung, Putin wolle nicht bei der Ukraine stehen bleiben, sondern die alten Grenzen der Sowjetunion für Russland wieder herstellen.  Dagegen bezeichnet sie das Vorgehen der USA als langgehegte Strategie, die Hegemonie der USA durch die Schwächung Russlands durchzusetzen. 
Im nächsten Kapitel geht sie der Frage nach, ob hinter dem „Rechtsruck“ mächtige Interessen stehen, und konstatiert, dass der Faschismus zum 2. Weltkrieg geführt hat und dass Krieg eine Kapitulation vor dem Verstand ist, die das Abgleiten ins Totalitäre bedeutet. Sie sieht die Erosion der Fassadendemokratie oder Elitendemokratie, die Berny Sanders Oligarchen-Farce nennt. Darin, dass Kapitalismus nicht demokratisch und Demokratie nicht kapitalistisch ist und große Teile der Bevölkerung ausgrenzt und entwürdigt, erkennt sie den Erfolg der rechten bzw. der AFD und schlussfolgert: Die Regierung selbst ist der Rechtsruck.
Den Begriff  „Antisemitismus“ hält sie für untauglich, es ginge um Judenfeindlichkeit. Der jüdische Traum von einer sicheren Heimstatt, nach Jahrhunderten der Verfolgung und Diskriminierung, sei am 7. Oktober zerplatzt. Zwar hält sie die Entscheidung der UNO für einen jüdischen Staat für folgerichtig, benennt aber gleichsam die Vertreibung der Palästinenser wie auch den Überfall arabischer Länder auf Israel.  Weder in israelischen Schulbüchern stünde etwas von „Nagba“, noch in arabischen Schulbüchern etwas über den Holocaust. Wer aber die Kriegsführung von Israel nicht kritisiere, sei nicht solidarisch. Sie zitiert Jitzchak Rabin, den Friedensnobelpreisträger, der September 1995 bei der Unterzeichnung der Oslo-Verträge sagte:“Lieber das Leid des Friedens als das Grauen des Krieges“. Zwei Monate Später , nach heftiger Hetze von u.a. Netanjahu, wurde Itzchak Rabin ermordet. Seither habe es keinen Frieden mehr gegeben.
In den letzten Kapiteln befasst sie sich wieder mit ihrem Kernthema, den nachhaltigen Fehlern und Versäumnissen der „Vereinigung“. Dabei kommt es ihr nicht darauf an,, zu kritisieren, dass DDR-Bürge bis heute nicht im Status Quo angekommen sind, sondern an der Unmöglichkeit, diesen zu verändern. Ihr geht es um Kritik am „Sonderrecht-Ost“, des §131, der Rückgabe vor Entschädigung sowie generell der gruppenbezogenen Diskriminierung von DDR -Bürgern, worin sie vor allem die Ursache für einen „Rechtsruck“sieht. Zwar zeigt sie sich erleichtert, dass endlich Millionen Menschen gegen rechts auf die Straße gehen. Gleichzeitig bemängelt sie, dass sie es mit Regierenden und Konzernen, den Verursachern der Missstände tun und nicht gegen diese. Daniel Dahn erinnert daran, dass die rechtslastigen Signale zuerst aus den staatlichen Institutionen  kamen, bevor die AFD an Bedeutung gewann. Z.B. ging die Polizei eher gegen links als gegen rechts vor, das Asylrecht wurde verschärft und die rechten Organisationen mit anstiftenden V-Leuten durchsetzt.
Zum Schluss erinnert sie, neben der Sinnlosigkeit der Corona-Maßnahmen, an die inzwischen belegte Tatsache, dass das Corona-Virus Ergebnis einer gain- of- function-Forschung ist.
Im anschließenden Gespräch mit der Philosophin Susan Neiman widersprach Frau Dahn  der westlichen These, dass der Antifaschismus, die Kernidentität in der DDR, verordnet und darum nicht legitim war. Daniela Dahn führte an, dass der Antifaschismus nicht auf Antisemitismus fokussiert war, sondern mehr die systemischen Machtinteressen im Hintergrund untersuchte. Der Massenmord an Juden wurde aber in Filmen und Büchern tausendfach behandelt.
Auf die Frage wie sie die Lage in den USA einschätzt, gab Susan Neiman an, für Kamela Harris  gestimmt zu haben, in der Hoffnung, dass bei ihrem Sieg der linke Flügel der Demokraten ihre Politik beeinflussen würde. Die Entwicklung in den USA mit Donald Trump sah Susan Neiman absolut negativ, mit seiner Nähe zu den Evangelikalen und deren düsteren Prophezeiungen, der Messias würde erst nach einem apokalyptischen  Krieg erscheinen und alle Gegner vernichten.
Auf die Äußerung beider Autorinnen, dass Antisemitismus  weltweit gewachsen sei, kamen Äußerungen aus dem Publikum – besonders seit Corona, sei es üblich geworden, dass jegliche Kritik, sowohl an den C-Maßnahmen als auch am Ukrainekrieg als antisemitisch verurteilt werden. Skandalös sei, dass die offen faschistische Ausrichtung des ukrainischen Militärs in unseren Medien negiert oder bagatellisiert wird.
Über die russische Politik, besonders über Putin war man sich auch nicht einig. Frau Neiman sagte, es sollte nicht der Fehler begangen werden, Russland mit der Sowjetunion gleichzusetzen, es handelte sich nicht mehr um den Kalten Krieg und Putin wäre gegen alles was Sozialismus bedeutet. Dagegen erwiderte ein Herr aus dem Publikum, Putin hätte die neoliberale Agenda Jelzins,  den Ausverkauf Russlands beendet. Und auf die Bemerkung von Frau Dahn, Putin hätte den Fehler gemacht, weil er angegriffen hat, bevor alle diplomatischen Möglichkeiten ausgeschöpft waren.
Es war ein, auch durch die Kontroverse, sehr spannender Abend.

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